Binär Logistische Regression: Interpretationshilfe

Regressionsmodelle aller Art mit SPSS.

Binär Logistische Regression: Interpretationshilfe

Beitragvon Caspar » Fr 23. Mär 2018, 17:55

Hallo,

folgendes ist meine Ausgangssituation:

Ich habe eine Studie zum Sexualverhalten durchgeführt. Dabei wurden in einer Bedingung Personen direkt befragt, mit der Bitte Auskunft zu Ihrem Pornokonsum zu geben. Das ist die Variable DQ_Porno (direct Question Porno) im dichotomen Format (wahr=1 / falsch=0) zur Frage „Konsumieren Sie gelegentlich Pornos?“.
Später in der Befragung wurden die Vpn gebeten einzuschätzen, wie stark das befragte Verhalten (Pornokonsum) in ihrem sozialen Umkreis (Peergroup) auftritt. Das ist die Variable sozNorm_Pornokonsum mit vier Stufen (1=keiner, 2=manche, 3=viele, 4=alle). In einer meiner Hypothesen prüfe ich die Hypothese "Je häufiger das betreffende Verhalten im sozialen Umfeld vorkommt (Variable sozNorm_Pornokonsum), desto eher wird das Verhalten auch selbst gezeigt (DQ_Porno).

Jetzt brauche ich Hilfe bei der Interpretation des Outputs, vor allem der Odds Werte.

Die bereits bekannte Variable sozNorm_Pornokonsum mit ihren 4 Stufen habe ich in der logistischen Regression als kategoriale UV eingegeben mit Kontrastmethode Indikator und Referenzkategorie Erste (also in diesem Fall „keiner“ um sozialen Umfeld konsumiert Pornos).
Die Kodierung von AV ist 0 = falsch (also kein selbstberichteter Pornokonsum liegt vor) und 1 = Wahr (selbstberichteter Pornokonsum)

Ich erhalte folgendes Ergebnis (vollständiger Output anbei):
1.png
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Ich habe unheimlich viel Literatur gefunden und gelesen welche "Standardfälle" der logistischen Regression behandelt. Aber eine ordinale, kategoriale Prädiktorvariable und wie man die interpretiert kaum. Hier jetzt also mein Versuch:
Die positiven Betas geben mir die Auskunft zur Richtung des Zusammenhangs: Positives Vorzeichen bedeutet hier, dass sich die Wahrscheinlichkeit erhöht zur Kriteriumsgruppe 1 (selbstberichteter Pornokonsum) zu gehören. Anders gesagt: Die Wahrscheinlichkeit zur Kriteriumsgruppe 0 zu gehören verringert sich (kein selbstberichteter Pornokonsum).
Oder: Die Wahrscheinlichkeit der Kriteriumsgruppe 1 (selbstberichteter Pornokonsum) anzugehören, steigt zunehmend mit den Stufen des sozial wahrgenommen Pornokonsums im eigenen Umfeld (positive Betas) verglichen mit der Referenzkategorie (keiner im sozialen Umfeld konsumiert Pornos). Anders formuliert: Je häufiger im sozialen Umfeld Pornos konsumiert werden, umso wahrscheinlicher ist es, dass ich selbst auch Pornos konsumiere. Stimmt das?

Die Stärke des Zusammenhangs liefern mir die Odds Ratios: Die Wahrscheinlichkeit, dass ich selbst Pornos konsumiere, wenn ich angegeben habe, dass in meinem sozialen Umfeld "alle" Pornos konsumieren ist 135 Mal höher als bei Personen in deren sozialen Umfeld "keiner" Pornos konsumiert. Ist diese Interpretation richtig?

Das Konfidenzintervall für EXP (B) schließt bei keinem Wert die 1 ein, daher meine Folgerung dass alle drei ORs signifikant sind - korrekt?


Weiter: in der SPSS Maske habe ich unter „Speichern“ Haken gesetzt bei „Wahrscheinlichkeit“. Dies erzeugt dann ja eine neue Variablen.
PRE_1 welche die vorhergesagte Wahrscheinlichkeit anzeigt. Und hier jetzt meine Frage: Es ist die Wahrscheinlichkeit das jemand Pornos konsumiert – richtig?
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Viele Grüße
Philipp
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Output_LogRegress_Pornokonsum2.pdf
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Caspar
 
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Re: Binär Logistische Regression: Interpretationshilfe

Beitragvon ponderstibbons » Sa 24. Mär 2018, 01:50

Die statistische Interpretation sieht soweit ok aus (inhaltlich wirkt das etwas schräg - die Annahme über das Verhalten der Umgebung ist nicht dasselbe wie das Verhalten der Umgebung; oder wie sicher würdest Du selber den Pornokonsum Deiner Peers einschätzen können?), aber ein U-Test hätte es hier eigentlich auch getan.

Mit freundlichen Grüßen

PonderStibbons
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Re: Binär Logistische Regression: Interpretationshilfe

Beitragvon Caspar » Sa 24. Mär 2018, 12:15

Danke für deine Antwort, PonderStibbons :-)

Genau um diesen Unterschied, zwischen der subjektiv und internal repräsentierten Annahme geht es in meiner Untersuchung. Eine Fragestellung ist ja, dass je mehr eine Person das befragte Verhalten in seinem sozialen Umfeld vermutet, desto wahrscheinlicher ist, das er / sie es selbst auch zeigt. Genauso der umgekehrte Zusammenhang: Je weniger das Verhalten in der sozialen Umgebung auftaucht, umso wahrscheinlicher ist, dass es selbst auch nicht gezeigt wird.

Ich habe diese Fragestellung auf Pornokonsum, Masturbation und Casualsex angewendet. In allen drei Fällen passen die Daten zu meinen Hypothesen. Sofern meine Interpretation stimmt. Das ist also eine interessante Aussage über die normativen Auswirkungen auf das eigene Verhalten.

Darf ich nochmal zu einer Frage um Hilfe bitten? Ich habe in die logistische Regression mal noch Kontrollvariablen aufgenommen: Alter, Geschlecht und Beziehungsstatus (Gebunden / Ungebunden).
Bezogen auf Masturbationsverhalten ist der Beziehungsstatus (kodiert mit 0 = Ungebunden und 1 = Gebunden) signifikant. OR = .506. Meine Interpretation wäre: Ungebundene (Singles) haben eine doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit zu masturbieren, als gebundene Personen. Darüber bin ich mir aber unsicher. An und für sich würde ich bei einem OR < 1 interpretieren, dass sich die Wahrscheinlichkeit verringert auf der AV (Masturbation) den Wert "1" ("Ich masturbiere gelegentlich") zu erreichen. Das heißt, eigentlich würde ich interpretieren, dass für Gebundene Personen die Wahrscheinlichkeit selbst zu masturbieren sinkt. Ich habe allerdings hier http://www.iatge.de/aktuell/veroeff/2003/erling07.pdf(>) gelesen (S. 25) dass sich bei OR <= 0,5 die Interpretation umdreht. Ich finde das aber nirgends sonst bestätigt. Gibt es Ideen dazu? (Output anbei)
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Output_LogRegress_Masturb.pdf
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Re: Binär Logistische Regression: Interpretationshilfe

Beitragvon ponderstibbons » Sa 24. Mär 2018, 14:13

Genau um diesen Unterschied, zwischen der subjektiv und internal repräsentierten Annahme geht es in meiner Untersuchung.

Las sich anders.
Eine Fragestellung ist ja, dass je mehr eine Person das befragte Verhalten in seinem sozialen Umfeld vermutet, desto wahrscheinlicher ist, das er / sie es selbst auch zeigt.

Hätte ich jetzt für diese Verhaltensdomäne umgekehrt angenommen.

Genauso der umgekehrte Zusammenhang: Je weniger das Verhalten in der sozialen Umgebung auftaucht, umso wahrscheinlicher ist, dass es selbst auch nicht gezeigt wird.

Das ist schon wieder (pardon) schlampig formuliert. Nicht "je weniger es auftaucht", sondern "je weniger es nach Annahme des Probanden auftaucht".

Meine Interpretation wäre: Ungebundene (Singles) haben eine doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit zu masturbieren, als gebundene Personen.

In der Stichprobe. Nicht in der Grundgesamtheit.
Ich habe allerdings hier http://www.iatge.de/aktuell/veroeff/2003/erling07.pdf(>) gelesen (S. 25) dass sich bei OR <= 0,5 die Interpretation umdreht.

Statt zu sagen, die Analysegruppe hat eine % Wahrscheinlichkeit im Vergleich zur Referenzgruppe, hat sich die Formulierung ab da umgekehrt zu "die Referenzgruppe hat eine % Wahrscheinlichkeit im Vergleich zur Analysegruppe".

Mit freundliche Grüßen

PonderStibbons
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