Item tatsächlich ausschließen

Faktoren- und Clusteranalysen, Diskriminanzanalysen und weitere multivariate Verfahren aller Art mit SPSS

Item tatsächlich ausschließen

Beitragvon asil1 » Mi 18. Nov 2020, 20:11

Mithilfe eine EFA möchte die reliable Messung meiner Variablen sicher stellen. Beispielhafte habe ich nun die Variable Attraktivität die mittels eine 7-stufigen semantischen Differntials gemessen wurde (attraktiv-nicht attraktiv usw.)

Die Analyse zeigt folgendes

KM= = 0,790, Bartlett-Test = 0,000

Kommunalitäten siehe Link: https://ibb.co/MMQNXbQ

Erklärte Gesamtvarianz siehe Link: https://ibb.co/sCm71tH

Der Kommunalität von "sexy - nicht sexy" nach zu urteilen, sollte ich dieses item ausschließen. Jedoch wird diese Skala der Attraktivität nach Ohnaian (1999) schon viele Jahre genau so verwendet. Sollte man das item tatsächlich ausschließen?

Weiterhin interessiert mich bei der Erklärten Gesamtvarianz: Die Eigenwerte der verschiedenen items sind bei meinen items meist kleiner 1. Das ist in diesem Beispiel so aber auch bei vielen anderen Konstrukten in meinen Daten. Müsste ich diese tatsächlich ausschließen. Ich habe nur Skalen verwendet die schon seit mehreren Jahren benutzt werden und eigentlich auch alle eigentlich das messen, was sie messen sollen.
asil1
 
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Re: Item tatsächlich ausschließen

Beitragvon strukturmarionette » Do 19. Nov 2020, 10:09

Hi,

Das semantische Differential (engl. semantic differential) ist ein Verfahren der empirischen Sozialforschung und kann heute als ein generelles und unspezifisches Messverfahren zur Selbst- und Fremdeinschätzung beliebiger Objekte bzw. Stimuli gekennzeichnet werden. Es geht zurück auf Osgoods Theorie der Wortbedeutung, in der er insbesondere die konnotative Komponente einer Wortbedeutung herleitet (Osgood CE, 1953). Neben der sachlichen (denotativen) Bedeutung von Wörtern wird ergänzend der „Gefühlston“ empirisch ermittelt. Es geht darum, sprachlichen oder nichtsprachlichen Stimuli eine konnotative Bedeutung (affektive Qualität) durch ein Sklalierungsverfahren zu geben (Osgood CE, 1953; Osgood CE, Suci GI & Tannenbaum PH, 1957). Wörter mit identischer denotativer Bedeutung können mit unterschiedlichen Konnotationen assoziiert sein. Mund und Maul haben beispielsweise eine sehr ähnliche sachliche Bedeutung, während mit Maul jedoch eine eher negative Bewertung (Konnotation) einhergeht.

Im deutschen wurde das S. durch Hofstätter (1959, 1966) verbreitet. Es wird auch als Polaritäts- bzw. Polaritätenprofil oder Eindrucksdifferential bezeichnet. Ein Beispiel wäre die Einschätzung politischer Begriffe (wie Freiheit, Demokratie, Sozialismus) durch Adjektivpaare (z. B. gut-schlecht, stark-schwach, aktiv-passiv) Diese Gegensatzpaare werden als Endpunkte einer mehrstufigen bipolaren Rating-Skala vom Likert-Typ (meist von -3 bis +3) dargestellt. Eine S. besteht immer aus mehreren Gegensatzpaaren bzw. Skalen, auf denen Auskunftspersonen einen Einstellungsgegenstand beurteilen sollen.

Faktorenanalytische Untersuchungen der Items verweisen auf drei zugrunde liegende Dimensionen des S.s. Nach Osgood sind dies die Dimensionen Bewertung (evaluation), Aktivierung (activity) und Potenz oder Macht (potency) und man spricht daher auch von der EPA-Struktur (evaluation, potency, activity). Dieser Befund wurde durch Osgood (Osgood CE, 1962) auch in Kulturvergleichenden Untersuchungen bestätigt. Unmittelbar einsichtig wird ein enger Zusammenhang zu drei zentralen Motivationsdimensionen: Bewertung (positiv vs. negativ) repräsentiert die Anreizmotivation, Aktivierung (aktiv vs. passiv) steht für die Antriebsmotivation und Potenz (stark vs. schwach) erlaubt Rückschlüsse auf die wahrgenommene Kontrolle bzw. Kontrollierbarkeit über ein Einstellungsobjekt. Die drei Faktoren sind somit nicht nur nebensächliche, isoliert zu betrachtende Emotionen, sondern beinhalten zentrale Erlebens- und Verhaltensdimensionen von unmittelbarer praktischer Relevanz (Osgood CE, 1971; Ertel, S. 1967; Ertel, S. 1970).

Im deutschsprachigen Raum werden neben den Skalen von Hofstätter (1966), die auf Adjektiven beruhen, häufig diejenigen von Ertel (1965a, b) eingesetzt, die Substantive als Endpole verwenden (z. B. Bewegung vs. Ruhe). Ertel bezeichnet die Dimensionen als E-V-P-System, wobei E für Erregung (=Aktivität), V für Valenz (Bewertung) und P für Potenz steht. Während in Hofstätters Polaritätenprofil der Bewertungsfaktor dominiert, sind die drei Dimensionen Erregung, Valenz und Potenz in Ertels Eindrucksdifferential nahezu gleich stark ausgeprägt. (Ertel, 1965b). Schäfer (1975) empfiehlt die Konstruktion von S.en, die auf die zu beurteilenden Begriffe abgestimmt sind.

Die Anwendungsbereiche des Semantischen Differentials in der Forschung sind vielseitig und umfassen heute Bereiche der allgemeinen, differentiellen, Persönlichkeits- und Sozialpsychologie. Bei Fragestellungen zur Emotion, Motivation, Einstellungsmessung und vielen angrenzenden angewandten Disziplinen wie beispielsweise der Werbung kommt das Polaritätenprofil zum Einsatz.

Gruß
S.
strukturmarionette
 
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Re: Item tatsächlich ausschließen

Beitragvon asil1 » Do 19. Nov 2020, 10:37

Hallo,

danke für die Ausführungen zum semantischen Differntial. So ganz weiß ich jetzt leider immer noch nicht, ob ich die Variable tatsächlich ausschließen soll, da sie ja schon langjährig Teil des Konstruktes Attraktivität ist.
asil1
 
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